Welchen Weg wuerde ich heute gehen?

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Manchmal denke ich darüber nach, warum ich damals nicht meinen Traum gelebt habe. Ich habe mit 14 Jahren Gefallen an der Fotografie gefunden. Ja, auch an der Technik, gebe ich gerne zu. Hast du schon mal eine alte Spiegelreflexkamera in die Hand genommen, geöffnet und die Mechanik angeschaut? Allein die Geschwindigkeit, in der die Lamellen öffnen, um den Film (heute Sensor) zu belichten. Das Abi fiel mir sehr schwer, denn ich merkte mir zwar Dinge, die ich begreifen konnte, aber Vokabeln und Fakten in Geschichte waren mein Horror.

Im Abitur wählte ich Mathematik, Chemie und Physik. Auch das war mit enormem Einsatz verbunden. Kunst gab es leider nicht als Leistungsfach, denn das lag mir und ich bekam lediglich eine 1- im Abitur, weil den Lehrern meine spritzige Art in der mündlichen Prüfung fehlte. Haha! Ein Zurück gab es nicht, denn die Alternative wäre gewesen, keinen Abschluss zu haben. Gut, dass das heute anders ist! Mir hat damals keiner gesagt, dass ich mit Abitur „überqualifiziert“ für eine Ausbildung bin. Für viele Studiengänge gab es einen Numerus clausus und alles schlechter als 2,0 hatte keine Chance. Ich habe damals für meinen Traum gekämpft, aber meine Interessen und Stärken nicht analysiert.

Beinahe hätte ich eine Lehre in einer Töpferei machen können (eine Töpferei von mehreren hätte mich auch mit Abi genommen), um danach zu studieren, nur fehlte mir das Geld, um ein halbes Jahr zu überbrücken. Die nächste Idee war der Studiengang „Medienwissenschaft“, bei dem ich aber ebenfalls hätte warten müssen, da es ein Modestudiengang war. Aus der Vernunft heraus, habe ich Werkstoffwissenschaft studiert, denn dieser Studiengang war ganz neu und wir waren nur 15 Studenten. Sie lockten mich mit beeindruckenden Elektronenmikroskopbildern von verschiedenen Materialien. Dieses Gerät habe ich bis heute nicht selbst bedienen dürfen.

2 Jahre Mathe, Chemie, Physik und Informatik folgten. Uff…Aber gut, meine Erwartungen an das Leben wurden rationaler. Das Studium versprach einen gefragten Job mit sicherem Einkommen. Während der 5 Jahre blieb ich der Fotografie immer treu, kam durch meine Studentenjobs der TU-Ilmenau an Fotojobs, zum Beispiel am Fachgebiet für Lichttechnik, eine Hochzeit in Kiruna im Eispalast und auf einen Flyer über das Mechatronikstudium.

Während dem Schreiben meiner Diplomarbeit, habe ich mir immer gesagt, dass ich keine wissenschaftliche Arbeit mehr schreiben werde, denn auch Schreiben war nicht mein Ding. Die Liebe führte mich dann aber doch zu meiner Promotion nach Irland, denn Ingenieure waren damals dort nicht gefragt. Wieder ein neues Thema (Mikrosystemtechnik für die Medizin), zahlreiche Veröffentlichungen und Präsentationen meiner Arbeit – und alles auf Englisch! Heute bin ich dankbar für diese Zeit, denn ich spreche und schreibe diese Sprache täglich bei der Arbeit.

Als Zuverlässigkeitsingenieurin fehlt mir heute jedoch die Kommunikation über nichttechnische Themen, das „Erschaffen“ von Dingen, die Menschen glücklich machen (ok, über die Lenkung im Auto freut sich schon manch einer) und das Ausleben meiner Kreativität. Vor 10 Jahren hätte ich nicht daran gedacht, dass ich wenige Jahre später meinen Jugendtraum verwirkliche, mit meiner Fotografie Familien unbezahlbare Erinnerungen schaffe und ein Buch schreibe, das unter den Top 5 der Bestseller steht. …Texte schreiben…ich? Mein Deutschlehrer würde mich mit großen Augen ansehen!

Wir werden das ganze Leben in ein System gezwängt, das uns weiß machen will, dass man nur mit einem gutbezahlten Job glücklich, sicher und zufrieden ist und man nur weiter kommt, wenn man besser als der Durchschnitt ist. Was, wenn deine Talente in diesem „System“ nicht erkannt werden oder du für deinen Traum kein Abi oder Studium brauchst?

Auch wenn dein Weg nicht direkt zu deinem Ziel führt, halte an deinem Traum fest und selbst wenn du in einem System „abgestempelt“ wirst, glaube an deine Stärken und Fähigkeiten. „Normal“ kann (fast) jeder!

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